23.07.2006, 11:39 | #1 |
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Spagat zwischen alter Kultur und "Moderne"
Hallöchen,
meine Frage zur Diskussion an euch liebe" Boarder" ist der Spagat zwischen alter Kultur und Tradition einerseits und der "Moderne" andererseits. Wie seht ihr das ???? Grüßle, Wolle |
24.07.2006, 14:07 | #2 |
Routinier
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Hallo Wolle,
also eigentlich ist das Thema viel zu schwierig bei der Hitze. Ich will trotzdem mal versuchen, ob ich ein paar klare Gedanken formuliert bekomme. Zunächst muss man die Begriffe klären. Was heißt denn überhaupt Tradition und was heißt Moderne? Reisende verklären meistens die Kultur und die Traditionen ihrer Zielländer. Da erscheint dann Bali als Insel der Götter, wo alle Bewohner im Einklang mit der Natur und den uralten, traditionellen Riten fröhlich und frei leben. Die Wirklichkeit sieht oft ganz anders aus. Wir sehen die pittoresken Feste und Zeremonien, hinter denen sich aber letztendlich ein furchtbarer Aberglaube an Geister verbirgt, der die Freiheit der Menschen stark beschränkt. In einem balinesischen Dorf geschieht alles nur unter dem einzigen Aspekt: Gefällt es den Göttern und Dämonen oder bringt es sie gegen die Menschen auf. Verbunden damit ist eine große Angst, irgendetwas falsch zu machen. Für mich bedeutet Moderne in erster Linie Aufklärung im Sinne Kants: "Aufklärung ist der Austritt des Menschen aus seiner selbst verschuldeteten Unmündigkeit". Nur Aufklärung in diesem Sinne versetzt uns in die Lage, friedlich und in Harmonie miteinander zu leben. Wo Aufklärung fehlt, herrscht Angst, Fanatismus und Gewalt. Nur nicht aufgeklärte Menschen lassen sich einreden, dass ihnen im Himmel hundert Jungfrauen ewige sexuelle Freuden bereiten werden, wenn sie sich und andere Menschen mit einer Bombe töten. Nur nicht aufgeklärte Menschen ruinieren ihre ganze Familie, um dem verstorbenen Familienangehörigen eine sündhaft teure Verbrennung zu organsieiren. Zur Aufklärung gehört auch, über seine eigene Kultur und Religion, über ihre positiven Effekte wie über ihre Schattenseiten nachdenken und diskutieren zu können. Dann wird es Dinge geben, die man unbdingt in die Moderne retten sollte (z. B. das althergebrachte Solidarprinzip der bäuerlichen balinesischen Gesellschaft) und andere Dinge, die man schnellsten über Bord werfen sollte wie die Stigmatisierung von Menschen aufgrund von Aberglauben. Wie man sieht: es ist nicht so einfach, über Tradition und Moderne zu debattieren. Für mich gehört zur Moderne auch: Bildungschancen für alle, ein funktionierendes Gesundheitssystem, das sich alle Menschen auch leisten können, eine von Korruption und Vetternwirtschaft weitgehend freie Verwaltung, Gewaltenteilung usw. Von alldem ist Indonesien noch Lichtjahre entfernt und man kann den Menschen dort nur wünschen, dass Sie sich möglichst schnell in diese Richtung "modernisieren". Gruß Matthias |
24.07.2006, 23:22 | #3 |
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Hallo, Flüstererer,
Hallöchen,
Flüsterer Vielen Dank für Deine umfassende Betrachtungen und Einschätzungen die ich mit Dir teile. Aus meiner Frage ergibt sich aber auch die einzelen Person in dem Spagat zwischen Familientradition und Religion und den Reizen der Moderne im materillen Bedürfnissen. So wie fast jeder einen Motorroller/ Handy besitzt und weiter danach strebt. Also einen Spagat lebt der sicher nicht einfach zu sein scheint, oder ??? Grüßle, Wolle |
25.07.2006, 01:07 | #4 |
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RE: Hallo, Flüstererer,
Hallo Wolle,
"Besitzdenken" ist wohl eines der ältesten Grundbedürfnisse der modernen Menschen. Früher waren diese Bedürfnisse noch leicht zufrieden zu stellen. Es reichte die tägliche Nahrung, eine trockene Schlafstelle und die Befriedung des Sexualtriebes. Mit fortschreitender Entwicklung und der Evolution haben sich die Bedürfnisse ebenfalls angepasst. Nun reichte nicht mehr die einfache Höhle als Schlafstätte sondern es musste zumindest eine Wohnung sein, möglichst ein eigenes Haus. Das ist auf dem indonesischen Archipel nicht anders als in Europa. Und auch die technische Entwicklung beeinflusst natürlich die Menschen. Ein Ferseher - zumindest in der Dorfgemeinschaft - ist dort genauso Standard. Und so entwickeln sich eben Bedürfnisse. Wobei die hinduistische Religion ja nun sehr tolerant ist. Bei uns im christlichen Kulturraum drohen Hölle und ewige Verdammnis. In dem islamisch ausgerichteten Regionen ist durch den Koran vieles verboten, z.B. Alkohol und Schweinefleisch. All das gibt es im Buddhismus / Hinduismus nicht. Du als Einzelner bist für dich selbst verantwortlich. Man muss mit sich selbst und der Umwelt in Einklang stehen. Diese fernöstlichen Religonen beruhen auf dem Prinzip der Ausgeglichenheit und Ausgewogenheit. Nichts ist schlecht oder gut. Alles muss sich in der Waage halten. Das ist die Grundlage, nach der sich jeder zu richten hat. Ich sehe das weniger als ein Spagat zwischen der Moderne und Tradition. Es ist eine Koexistenz von beidem. Bei uns in Deutschland regen sich viele Personen über die Kirchensteuer als Zwangsabgabe auf. In Bali z.B. geben die Gläubigen in Relation zum Einkommen ein vielfaches von dem aus, was bei uns als Kirchensteuer anfällt. Auf freiwilliger Basis. Und die junge Generation dort hält es - soweit die finanziellen Mittel vorhanden sind - genauso mit den Diskotheken, wie bei uns. Die Bedürfnisse sind also ähnlich gelagert. Trotz des Glaubens an Götter und Dämonen. Fatal ist es natürlich, wenn man als junger Mensch in eine Clique gerät, die über eine gute finazielle Basis verfügen und man selbst nicht mithalten kann. Aber das wäre bei uns auch nicht anders, wenn wir Kontakt mit dem Jetset hätten. Gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder man "schlaucht sich durch" und führt ein Doppelleben oder man erkennt seine Grenzen und steigt aus. Immer nur "Party" und gesellschaftliche Verpflichtungen werden mit der Zeit auch pfade und eintönig. Mein balinesischer Freund Pustaka hat das richtige aus sich gemacht. Angefangen in der Hotelbranche als Roomboy. Heute ist er Financial Manager einer großen europäischen Hotelkette in Bali und gehört damit zur gehobenen Mittelschicht mit allen Vor- aber auch Nachteilen. Ein wenig vom Thema ab aber mit der Quintessenz, dass es in Bali ein friedliche Koexistenz zwischen Moderne und Tradition gibt. Grüße Gregor
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25.07.2006, 12:01 | #5 |
Routinier
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Hallo Gregor,
als jemand, für den der Buddhismus als einzige Religion überhaupt in Frage kommt (weil er eigentlich gar keine Religion, sondern eine Philosophie ist, die keinen Gott kennt), gebe ich Dir im Prinzip recht. Nur: der Hinduismus auf Bali ist schon eine sehr spezielle Sache. Eine Freundin ist mit einem Balinesen verheiratet und hat etwa ein Jahr lang versucht, mit ihm in seinem Heimatdorf zu leben. Danach haben sie es aufgegeben, weil es für einen aufgeklärten Menschen unerträglich ist. Während es im Buddhismus nicht einmal einen Gott gibt, existieren im Hindu-Dharma hunderte von Geistern und Dämonen, um deren Wohlergehen man sich ständig kümmern muss. Wehe, Du machst etwas falsch, vielleicht aus Unkenntnis. Sofort bist Du im Dorf isoliert. Alle Menschen meiden Dich, schimmer noch, sie stigmatisieren Dich. Das ganze Leben unterliegt strengster Kontrolle, Individualität läßt sich da nicht leben. Die Theorie ist eben das eine und die Praxis das andere. Wolle, du hast recht. Jeder einzelne Balinese lebt den Spagat, wobei ich glaube, dass die Entscheidung mehr und mehr für die Moderne fällt, allerdings geprägt von den tief verwurzelten Vorstellungen und Mentalitäten der Menschen. Gruß Matthias |
25.07.2006, 20:53 | #6 |
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Das Lächeln
Hallöchen , ihr !
...dann frage ich mich was sich hinter dem so berühmten und wohltuendem Lächeln eines einzelnen Balinesen wirklich verbirgt. Auch eine Spaltung zwischen Freundlichkeit und "Gier" ?? Grüßle, Wolle |
26.07.2006, 00:42 | #7 | |
Administrator
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RE: Das Lächeln
Hallo Matthias,
Zitat:
Denn irren ist menschlich. Dann würde vermutlich keiner mehr im Dorf wohnen .. Grüße Gregor
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26.07.2006, 07:55 | #8 |
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heeee leute
gerade dieses thema behandelt dieses buch: Bali - Leben in zwei Welten , Hrsg. Urs Ramseyer und I Gusti Raha Panji Tisma. Museum der Kulturen Basel. balinesische intellektuelle, kuenstler, journalisten, architekten etc. schreiben kurze statements über themen wie umwelt, drogenproblem, tourismus, zukunftsvisionen in Bali... ISBN: 3796518729 kosten 38SFR wirklich lesenswert,eine ganz andere seite balis. liebe gruesse michael
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26.07.2006, 08:12 | #9 |
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Hallo pingerlo
Hallöchen, pingerlo,
das ist ein guter Tip, vielleicht aber kannst Du dich mit Deinem Wissen daraus zu diesem Thema am Dialog hier beteiligen? Sonst besteht die Gefahr das wir alle auf etwas verweisen und wesentliche Anteile zu diesem Thema fehlen und eine echte Diskussion nur begrenzt möglich wird. Du verstehst .......? Freue mich drauf .......... Grüßle, Wolle |
26.07.2006, 13:25 | #10 |
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Hallo Gregor,
wahrscheinlich begegnet man nur "Zugezogenen" derart abweisend. Bei unserer Freundin ging es soweit, dass selbst die Frage, wie hoch man Wäsche zum trocknen zu hängen hatte zum Gegenstand erheblicher Auseinandersetzungen wurde, weil wohl die Dämonen die Wäsche "beschmutzen", wenn man sie zu tief hängt, andererseits aber auch irgendwelche anderen Geister beleidigt sind, wenn man sie zu hoch hängt. Gruß Matthias |
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Balistar, MN.Sastrawan, pingerlo |
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