02.03.2006, 20:12 | #1 |
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Einfluss von Geschichte und Politik
Ausländische Besucher, die erstmals in die glitzernden Hochhaustürme, die modernen Shopping Malls und luxuriösen 5-Sterne-Hotels der Hauptstadt Jakarta eintauchen, haben den Eindruck, in einer westlichen Großstadt zu sein. Aber gleich neben dieser Glitzerwelt zeigt sich die andere, weitaus bedeutendere Realität des Entwicklungslandes: offene Abwasserkanäle, kleine Garküchen und bettelnde Kinder. Ähnlich verhält es sich mit den Menschen. Der im westlichen Anzug und mit passablen Englischkenntnissen auftretende indonesische Geschäftsmann - oder auch die indonesische Geschäftsfrau - erscheint Europäern vertraut. Vom Schein sollte man sich aber auch hier nicht trügen lassen. Denn in ihrem Denken und Handeln sind die Indonesier - im Geschäftsleben oft chinesischer Herkunft - Asiaten.
Heikles Thema Politik "Einheit in der Vielfalt" lautet das nationale Motto, das auch in den fünf Prinzipien der Staatsideologie Pancasila niedergelegt ist. Zur höchsten politischen Priorität zählt es, das Reich der über 17.000 Inseln, die zusammen genommen kontinentale Ausmaße haben und 210 Mio. Einwohner unterschiedlicher Rassen und Religionen beherbergen, zusammenzuhalten. Der "Verlust" Osttimors im August 1999 wurde als nationale Demütigung empfunden; die Unabhängigkeitsbewegungen im nordwestlichen Aceh und im südöstlichen Papua werden als ernste Bedrohung der nationalen Integrität gesehen. Das Erbe der 1945 erklärten Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht Niederlande zu bewahren und zusammenzuhalten hat vorrangige Bedeutung. Dieser Priorität sollten sich alle ausländischen Besucher bewusst sein und von sich aus keine politische Diskussion vom Zaune brechen. Außenpolitisch liegt der Schwerpunkt Indonesiens in der ASEAN-Staatengemeinschaft, bei der es Gründungsmitglied ist. Darüber hinaus pflegt der Inselstaat gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zu den Haupthandelspartnern Japan, EU und den USA. Nach der Asienkrise von 1997/98 haben jedoch asiatische Wirtschaftspartner, vor allem die VR China, an Bedeutung gewonnen. Innerhalb der EU liegt Deutschland mit Importen von 1,7 Mrd. US$ und Exporten von 1,3 Mrd. US$ (2001) vorn. Abgesehen vom wirtschaftlichen Austausch ist Indonesiens Verhältnis zu den USA durch die Weltmachtstellung der Amerikaner und deren Einfluss auf Geberinstitutionen wie Weltbank und IWF geprägt und teilweise belastet. Das Drängen Washingtons auf eine effizientere Terrorismusbekämpfung in Indonesien findet im größten islamischen Staat der Welt keine ungeteilte Zustimmung, auch nicht nach dem Bombenanschlag am 12.10.02 auf Bali. Das Verhältnis zu Deutschland ist in dieser Hinsicht entkrampfter und überwiegend durch Wirtschaftsbeziehungen geprägt. Teils deutschsprachige Geschäftsleute Nach der Unabhängigkeit Indonesiens gingen zahlreiche indonesische Auslandsstudenten nicht mehr in das "verhasste Kolonialland" Niederlande, sondern über die Grenze nach Deutschland. Somit finden sich in der Generation der über 50-jährigen nicht wenige "Alumni Jerman" (Absolventen deutscher Hochschulen). Heute zieht es die indonesischen Studenten, soweit sie sich ein Studium im Ausland leisten können, eher nach Australien und in die USA. Besonderheiten in Wirtschaft und Gesellschaft Wohl in keinem Land der östlichen Hemisphäre hat die Asienkrise von 1997/98 so tiefe Spuren hinterlassen wie in Indonesien. Nicht nur die Wirtschaft hat mit Währungsverfall, galoppierender Inflation, zweistelligem Negativwachstum und Massenarbeitslosigkeit einen tiefen Einbruch erfahren. Auch die Suharto-Autokratie, die 32 Jahre für Stabilität gesorgt hatte, stürzte wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Seit dem Sturz Suhartos im Mai 1998 hat Indonesien drei Wechsel an der Staatsspitze erlebt. Dabei ist es von einer zentralistisch gesteuerten Ein-Mann-Diktatur zu einer eher föderalen parlamentarischen Demokratie übergegangen. Auch wenn Pressefreiheit, Streiks und Demonstrationen nun zum indonesischen Alltag gehören, so ist die Umwälzung im Bewusstsein der meisten Menschen und auch der Politiker noch nicht vollzogen. Das Denken und Handeln wurzelt weiterhin stark in den traditionellen hierarchischen Strukturen, auch wenn sich, zusätzlich angetrieben durch die weltweite Globalisierung, Veränderungen vollziehen. Indonesien befindet sich, wahrscheinlich viel stärker als andere Länder, in einem wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Übergangsprozess. Harmonie und Hierarchie Eine konstante Größe ist das ausgeprägte Harmoniebedürfnis, vor allem in der dominierenden javanischen Kultur. Entscheidungen werden vorrangig unter Berücksichtigung aller Meinungen im kollektiven Konsens getroffen. Niemand soll sich übergangen fühlen und schon gar nicht sein Gesicht verlieren. Die westliche Mehrheitsentscheidung mit der Niederlage der Minderheit ist dem traditionellen javanischen Denken fremd. Denn trotz der kollektiven Entscheidungsfindung sind nicht alle Akteure gleichrangig. Der "Bapak" (Vater, Chef und Richter) fungiert in einer Gruppe oder Firma als Meinungsführer, hat aber auch eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Untergebenen. In den meisten indonesischen Unternehmen, nicht nur den kleinen und mittleren, entscheidet der Chef über fast alle Details. Das im westlichen Management übliche Delegieren von Aufgaben ist eher unterentwickelt. Durch im Westen ausgebildete Nachwuchsmanager, vor allem unter den wirtschaftlich erfolgreichen Indonesiern chinesischer Herkunft, kommt aber auch hierbei langsam etwas frischer Wind in die Büros. Trotzdem sind die indonesischen Geschäftsleute immer noch ausgesprochen hierarchie- und statusbewusst, auch wenn sie sich vielleicht salopp und lässig geben. Deshalb ist es wichtig, bei Verhandlungen keinen zu jungen, unerfahrenen und vor allem keinen niedrigrangigen Delegationsleiter ins Feld zu führen. Praxis der "nützlichen Zuwendungen" Zu den Besonderheiten Indonesiens zählt die chronisch verbreitete Korruption; hier rangiert das Land im internationalen Vergleich regelmäßig in der Spitzengruppe. Zwar schreiben viele Politiker nun in der Ära von Demokratie und Pressefreiheit mit der einen Hand die Bekämpfung des Übels auf ihre Fahnen, mit der anderen Hand stecken sie jedoch weiterhin die gefüllten Briefumschläge in ihre Taschen. Hinzu kommt, dass sich die Praxis der "nützlichen Abgaben" mit der Einleitung der Dezentralisierung Anfang 2001 ebenfalls dezentralisiert hat. Statt eines "großen Suharto" in Jakarta gibt es nun einige hundert "kleine Suhartos" in den Distrikten und Provinzen des Landes, meinte lakonisch ein Landeskenner. Grüße Gregor
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